Antipolitik

Rezension

5. Juli 2024 – von Andreas Tiedtke

Andreas Tiedtke

Mit seinem neuesten Buch „Antipolitik“ (*) bringt der Autor Antony P. Mueller seinen analytischen Verstand und den ganzen Erfahrungsschatz seiner langen Karriere ein, um die aktuelle politische und ökonomische Lage des Westens und insbesondere Deutschlands nicht nur einzuordnen, sondern er gibt auch Einschätzungen zu möglichen künftigen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen. Der Autor ist promovierter und habilitierter Wirtschaftswissenschaftler. An der Universität Erlangen-Nürnberg leitete er von 1994 bis 1998 das Institut für Staats- und Versicherungswissenschaft in Erlagen. Bis 2023 war er Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen, an der brasilianischen Bundesuniversität UFS und lehrt heute an der „Mises Academy“ in São Paulo. Seine Studien- und Forschungsaufenthalte sowie Gastprofessuren führten ihn in die USA, durch Europa (Paris, London, Lissabon) und nach Lateinamerika (Argentinien, Brasilien, Guatemala, Kuba).

Antony P. Mueller beginnt sein Buch geradezu prophetisch:

Das politische Zeitalter geht zu Ende.

Immer mehr Menschen wollten noch mehr vom Staat, aber immer weniger seien bereits, für die anderen arbeiten zu wollen. Ein solches System sei nicht zukunftsfähig und gehe an sich selbst zu Grunde.

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Kapitalismus

Aber davor bräuchte man sich nicht zu fürchten, denn die Lösung sei: Kapitalismus. Während der technologische Fortschritt zwar Berufsbilder obsolet macht, machen Innovationen die Wirtschaft produktiver, und steigende Produktivität ist der Schlüssel zu mehr Wohlstand. „Man stelle sich eine Welt vor, in der die Lebenshaltungskosten nur noch einen Bruchteil von heute betragen“, so Mueller, „und Steuern und Abgaben nur einen vernachlässigbaren Teil des Einkommens erfordern.“

In sieben Kapiteln beginnend mit „Wohlstand, Frieden, Freiheit“ über „Zukunftsmodelle der Antipolitik“ mit einem Blick auf das christliche und daoistische Gesellschafts- und Menschenbild bis zu einem „Ausblick“ führt das Buch lehrreich durch die Wirtschafts- und Menschheitsgeschichte vor dem Hintergrund des Dualismus zwischen freiwilliger Kooperation einerseits und erzwungener Herrschaft andererseits. Das erinnert an den bekannten Ausspruch Ludwig von Mises (Die Letztbegründung der Ökonomik, S. 137):

Die Geschichte des Westens, vom Zeitalter der griechischen Polis an bis zum heutigen Widerstand gegen den Sozialismus, ist im Wesentlichen die Geschichte des Kampfes um Freiheit gegen die Übergriffe der Amtsinhaber.

Antipolitik

Antony P. Mueller

„Sobald ein Staat entsteht, hat er nichts anderes im Sinn, als seine Staatlichkeit zu universalisieren“, so Mueller bereits in der Einleitung. „Antipolitik ist die Parole der Zukunft.“ Bei Antipolitik ginge es aber natürlich nicht um einen Umsturz, sondern die „Revolution der Freiheit … kommt durch Einsicht zustande.“ In der Vergangenheit sei die politische Ordnung aus der Gewalt hervorgegangen und sie erhält sich durch die systematische Anwendung von Gewalt. Hingegen würde sich der Weg zur Entstehung einer sogenannten „anarcho-kapitalistischen“ Ordnung, also ohne Herrschaft, eben nicht gewaltsam oder revolutionär bahnbrechen, sondern er ergebe sich von selbst, wenn die Hindernisse fallen, die dem Erblühen einer friedlichen Gesellschaft mit freiwilliger Kooperation derzeit und in der Geschichte der Menschheit immer wieder mehr oder weniger im Wege stehen und standen.

Die große Illusion, der Staat könne die sozialen Probleme beseitigen, beruhe auf einer falschen Auffassung von der Natur der menschlichen Probleme. „Für die meisten wirtschaftlichen und sozialen Probleme gibt es keine Lösungen, sondern nur sogenannte ‚trade-offs‘, den subtilen Abtausch von marginalen Vor- und Nachteilen.“ Der Libertarismus als neue Aufklärung verändere die öffentliche Meinung, sodass die infantile Haltung, sich dem Staat als universellen Problemlöser zuzuwenden, enden werde.

Wenn der Grundkonsens breche, so Mueller, könne keine politische Ordnung Bestand haben, ganz gleich ob die Zustimmung freiwillig, gewalttätig erzwungen oder manipulativ herbeigeführt werde. Man kann die Menschen darüber aufklären, dass die Wertschätzung des Individuums als Selbstzweck einerseits und die Ausdehnung von Staat und Politik in die Belange des Einzelnen unvereinbar seien.

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Legitimismus

Die Annahmen des Staatstheoretikers Thomas Hobbes (1588 – 1679), dass der Mensch von Natur aus unkooperativ und rücksichtslos sei, widerlegt Mueller und entlarvt Hobbes Argumente als Versuch desjenigen, was Franz Oppenheimer (1864 – 1943), der Doktorvater Ludwig Erhards (1897 – 1977), als „Legitimismus“ bezeichnete, also die Rechtfertigung aufgezwungener Herrschaft. Mueller schreibt:

Mit der Befürwortung einer unbeschränkten höchsten Gewalt erweist sich diese Staatstheorie dezidiert als Versuch, den Despotismus zu rechtfertigen. Man wird vom Staat ‚Bürger‘ genannt, aber als Knecht behandelt. Es wird einem glauben gemacht, in Freiheit zu leben, aber in Wahrheit sitzt man in einem Kerker.

Mit Hinweis auf den deutschen Ökonomen und Sozialphilosophen Hans-Hermann Hoppe führt Mueller aus, dass „echte Verträge freiwillige Vereinbarungen“ sind. Im Gegensatz dazu geht Hobbes‘ Gesellschaftsvertragstheorie davon aus, dass die Individuen zur Einhaltung des Gesellschaftsvertrages gezwungen werden. Der Autor schreibt: „Jede Art von Unterwerfungsvertrag widerspricht den Prinzipien der Freiwilligkeit und Autonomie.“ Hingegen sei das „ursprüngliche Prinzip der Vergesellschaftung … die wechselseitige Anerkennung aller.“

„Ein Mensch zu sein bedeutet, ein Gesellschaftsmensch zu sein“, so Mueller. Die Entwicklung der menschlichen Vernunft und des menschlichen Empfindungsvermögens sei nur in der Gesellschaft möglich. Die Arbeitsteilung ermögliche die Ausbildung individueller Begabungen und mache den gesellschaftlichen Austausch so immer ergiebiger. Die höhere Produktivität der arbeitsteiligen freiwilligen Austausch-Gesellschaft mache aus Konkurrenten Freunde, aus Krieg Frieden und aus Individuen die Gesellschaft. Das Prinzip der relativen Vorteile der Arbeitsteilung könne sich so voll entfalten, ein Prinzip, das zuerst für den internationalen Handel entdeckt worden sei, aber ein universelles Prinzip der Assoziation sei, wie bereits Ludwig von Mises nachwies. Mueller weiter:

„Man kann die Gesellschaft nicht top-down organisieren. Dies wäre nichts anderes, wie wenn man eine lebende Pflanze zerstückeln wollte, um aus den toten Teilen eine neue zu machen. Will man im Sinne des Kollektivismus die Gesellschaft organisieren, so muss zuerst alles gesellschaftliche Leben abgetötet werden“, so Mueller. Gesellschaft sei nicht lediglich „Wechselwirkung“, sondern überhaupt nur dort vorhanden, wo „ein ‚Wollen zum Mitwollen und ein Handeln zum Mithandeln‘ wird“.

Krieg

Im Umkehrschluss gelte, dass staatliche Interventionen, also das zwangs- und fallweise Eingreifen des Staates in die Gesellschaft, „angefangen von Steuerpolitik bis zu Sanktionen“ zur Verarmung beitragen wird und zum Schwinden des gesellschaftlichen Zusammenhalts, bis es zudem kommt, was Carl von Clausewitz (1780 – 1831) wie folgt ausdrückte: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Mueller schreibt:

Die Kriegsbereitschaft eines Landes nimmt umso mehr zu, wie der gesellschaftliche Zusammenhalt schwindet. Die Konstruktion eines äußeren Feindes soll von den inneren Konflikten ablenken.

Im Hinblick auf die Architektur einer aufgezwungenen staatlichen Organisation, beschreibt der Autor, dass die Machtelite eine eigene Gesellschaft in der Gesellschaft bilde, „mit zwangsläufig eigenen Werten, Emotionen, Interessen und individuellen Absichten. Diese herrschende Gruppierung verkörpert Befehlsgewalt, und ihr Egoismus ist ein integraler Bestandteil ihres Machtanspruchs.“ Der Egoismus der „Clique an der Macht“, wie der Wirtschaftsjournalist Henry Hazlitt (1894 – 1993) es ausdrückte, „prägt den Staat, verleiht ihm Leben und erweitert seinen Machtbereich“. Die Gesellschaft werde als Kapital der Machtelite verstanden, aus der sie die Ressourcen für ihre Zwecke schöpfen kann zur Erweiterung des verfügbaren Budgets. Ein ständiges Wachstum von Ausgaben, Gesetzgebung und Beamtenschaft sei die Folge.

Gängelung

Mueller schreibt:

Wenn die Staatsausgaben ihre Grenzen erreichen und finanzielle Beschränkungen die Staatsausgaben einschränken, wendet sich der Staat der Kontrolle derjenigen Aktivitäten zu, die keine Ausgaben erfordern. Folglich gehören Verhaltenssanktionen zu dem am schnellsten wachsenden Bereich staatlicher Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten – angefangen bei dem, was man essen und trinken darf, bis hin zu dem, was man sagen und nicht sagen darf.

Um das Wesen des Politischen als Technik des Machtgewinns und Machterhalts zu erläutern, zitiert Mueller den italienischen Philosophen, Diplomaten und Chronisten Niccolò Machiavelli (1469 – 1527) und dessen Schrift „Der Fürst“ („Il Principe“), der die Furcht vor dem Staat, das Angsteinjagen und „Grausamkeiten“ zum Machterhalt als zweckmäßig beschrieb.

Gestützt werde die heutige Philosophie von den Erben Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770 – 1831), zu denen nicht nur die Marxisten zählten, sondern auch jene Ethnologen, Archäologen und Evolutionstheoretiker, die Modelle entwürfen, wonach es einen quasi „feststehenden Entwicklungsplan der Geschichte gäbe“.

Über Immanuel Kant (1724 – 1804) gelangt der Autor zu Pierre-Joseph Proudhon (1809 – 1865). Der Staat als Volk sei eine Fiktion und regiert zu werden sei mehr, als öffentliche Güter zu empfangen. Zitiert wird Proudhon:

Regiert zu werden heißt, unter polizeilicher Überwachung zu stehen, inspiziert, spioniert, dirigiert und mit Gesetzen überschüttet, reglementiert, eingepfercht, belehrt, gepredigt, kontrolliert, eingeschätzt, abgeschätzt, zensiert, kommandiert zu werden durch Leute, die weder das Recht noch das Wissen, noch die Kraft dazu haben …

Proudhon sah im Eigentum eine „revolutionäre Macht“, um die Staatsmacht auszugleichen. Vorher, 1840 habe Proudhon noch den berühmten Satz geäußert „Eigentum ist Diebstahl“, später aber habe er erkannt, „dass der Kommunismus durch die Vergesellschaftung des Eigentums die Macht nicht aufhebt, sondern ins Unendliche steigert“.

Nach einem Abschnitt über den deutschen Philosophen Max Stirner (1806 – 1856) behandelt Mueller die Demokratietheorie Jean-Jacques Rousseaus (1723 – 1778), um auf den weniger bekannten Staatstheoretiker Carl Schmitt einzugehen, der Zeitzeuge der Weimarer Republik und der Herrschaft der Nationalsozialisten gewesen sei. Die zentrale These von Schmitts Theorie des Politischen sei das Konzept des „Feindes“. „Für Carl Schmitt wird die Identität einer politischen Gemeinschaft durch die Definition des Feindes bestimmt“, so Mueller. Alle, die den Erhalt der politischen Gemeinschaft bedrohten, kämen als Feinde in Betracht, und in diesem Sinne befinde sich ein politisches Gemeinwesen permanent im Kriegszustand, sowohl nach innen als auch nach außen.

Für Schmitt diene der Staat dazu, die gesellschaftlichen Konflikte herrschaftlich unter Kontrolle zu halten. „Dabei vernachlässigt er aber“, so Mueller, „dass ein autoritärer Staat, um seine Autorität unter Beweis zu stellen, ja sie überhaupt erst zu erringen, den Konflikt schüren muss.“ Mit diesem Legitimismus widerspreche Schmitt sich aber selbst, denn nach der Logik seines Gedankengebäudes produzierten Staat und Politik Streit und Konflikt um ihrer Existenz willen.

Parteienherrschaft

Auch mit dem zeitgenössischen Parteiensystem und der Parteienherrschaft setzt sich Mueller auseinander. Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) hätte die Staaten, wie wir sie heute kennen, wohl nicht als Demokratien, sondern als „Oligarchien“ bezeichnet. Der Autor weist auf den Soziologen Robert Michels (1876 – 1936) hin, der das für die Elitentheorien zentrale „Eherne Gesetz der Oligarchie“ entwickelte. „Ohne Organisation ist die Demokratie nicht denkbar“, zitiert der Autor Michels, und Mueller weiter: „Wer Organisation sagt, sagt Tendenz zur Oligarchie.“ Als Organisationen entwickelten die politischen Parteien im Verlauf ihres Wachstums bürokratische Strukturen und dies bedeute Zentralisierung der Autorität. Mueller schreibt:

Der Kampf der Parteien um die Macht zwingt sie zur Organisation, aber die damit notwendigerweise verbundenen Strukturelemente widersprechen den Grundsätzen der Demokratie, wenn man sie als Mitwirkung aller an der politischen Willensbildung versteht.

Um im Wahlkampf erfolgreich zu sein, müssten sich die Parteien organisieren und hierarchische Strukturen aufbauen. Mueller:

Eine Partei muss autoritär geführt werden, und je erfolgreicher sie ist, desto autoritärer wird ihre Struktur.

Über den politischen Parteienwettbewerb schreibt Mueller, dass anti-marktwirtschaftliche Regierungen Wähler gewinnen, sie bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation die Menschen dazu neigten, noch mehr Regierungseingriffe zu fordern.

Infolgedessen verbreitern diejenigen Parteien ihre Wählerbaisis und werden wiedergewählt, die eine schlechte Politik umsetzen und eine weitere Runde der Verarmung initiieren. Die politischen Parteien konkurrieren um die Verfolgung schlechter Politik. Während sie das Beste für die Gesellschaft versprechen, geht es im politischen Wettbewerb faktisch darum, welche Partei es für die Bevölkerung noch schlechter macht.

In den USA sei dieses Phänomen unter dem Namen „Curley-Effekt“ (zu Deutsch etwa: „Verdrehungs-Effekt“) untersucht worden, um zu erklären, weshalb manche Städte verarmen, aber die verantwortlichen Politiker immer wieder gewählt werden. Dieser Curley-Effekt gelte in Deutschland nicht nur für Städte, sondern für die Bundesrepublik insgesamt. Politiker gewönnen Wahlen aufgrund utopischer Versprechungen für ihre Klientel und ergriffen Maßnahmen nach dem Wahlsieg, die zum wirtschaftlichen Niedergang führten. Mittels antikapitalistischer Rhetorik und Umverteilung würden die Leistungsträger veranlasst, abzuwandern.

Nach weiteren Erläuterungen zur Struktur der Parteienherrschaft gelangt Mueller zu der französischen Philosophin Simone Weil (1909 – 1943), die erklärt habe, dass der tyrannische Charakter politischer Parteien in Kontinentaleuropa während der Französischen Revolution (1789 – 1799) entstanden sei. Die Jakobiner seien die ersten gewesen, die das Prinzip praktiziert hätten: „Eine Partei an der Macht und alle anderen im Gefängnis.“

Mit dem Aufstieg der politischen Parteien im Machtkampf der Französischen Revolution sei es auch zur Spaltung zwischen „links“ und „rechts“ gekommen, eine Unterscheidung, die in den Köpfen der Menschen Chaos angerichtet habe, so Mueller. Beides aber, links und rechts, sei kollektivistisch und der eigentliche Gegensatz hierzu sei der Liberalismus beziehungsweise Libertarismus.

Aufgrund des Prestiges, das Macht heutzutage in den Augen der Bevölkerung genieße, sei das Denken in Parteien zur Gewohnheit geworden. Als ich das las, erinnerte mich das an die verheerenden Parteienkämpfe, die bereits im Spätmittelalter des 13. und 14. Jahrhunderts tobten, zunächst zwischen den Ghibellinen und Guelfen unter dem Staufer-Kaiser Friedrich II. (1194 – 1250) und später zu Zeiten Dante Alighieris (1265 – 1321), als die Ghibellinen besiegt waren, zwischen den Weißen und den Schwarzen Guelfen.

Dominanz sei das Ziel einer politischen Partei, so Mueller, und der Staatsapparat diene ihr als Instrument. Der Autor weist auf den deutsch-schweizer Psychiater und Philosophen Karl Jaspers (1883 – 1969) hin, der bereits 1966 eine Umkehr der Denkungsart gefordert habe, um die Bundesrepublik Deutschland vor dem Weg in einen autoritären Parteienstaat zu bewahren. Der Weg ginge, so wird Jaspers zitiert, „von der Parteienoligarchie zum autoritären Staat; vom autoritären Staat zum Diktaturstaat; vom Diktaturstaat zum Krieg“.

Privatisierung

Das Mittel gegen den fortschreitenden Autoritarismus sei ein allmählicher Prozess der Privatisierung, so Mueller, und weiter:

Privatisierung ist nicht dasselbe wie Interventionismus, sondern sein Gegenteil, es wird dem Privatsektor gleichsam das zurückgegeben, was ihm vom Staat genommen wurde.

Anarcho-Kapitalismus bedeute hohe Produktivität und viel Freizeit, und ein solches libertäres Gemeinwesen würde als spontane Ordnung entstehen. Dabei sei Anarcho-Kapitalismus kein politisches Programm, sondern ein Zielbild, das Wohlstand in Freiheit beinhalte.

Gesellschaft ohne Herrschaft

Im Buch wird im Folgenden die einseitige Propaganda der heutigen Zeit erörtert, in der Darwins Evolutionstheorie (Charles Darwin, 1809 – 1882) mit ihrem Schwerpunkt auf Konkurrenz und Wettbewerb nahezu überall propagiert werde, Thomas Robert Malthus (1766 – 1834) mit seiner Überbevölkerungspropaganda jedermann bekannt sei, aber kaum seriöse Gegenstimmen im öffentlichen Diskurs zu Wort kämen, wie etwa Julian Simon (1932 – 1998; die menschliche Kreativität als ultimative Ressource) oder Peter Kropotkin (1842 – 1921; gegenseitige Hilfe und Kooperation als zentrales Evolutionsprinzip).

David Graeber (1961 – 2020) und David Wengrow hätten in ihrem Buch „Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“ (*) aufgezeigt, dass die Entstehung hierarchischer Gesellschaften und freiheitsunterdrückender Staaten keinesfalls zwangsläufig war und es historisch auch andere Gesellschaftsformen gab. Sie hätten anhand anthropologischer, ethnologischer und archäologischer Evidenz den „herrschenden Konsens“ über die frühgeschichtliche Entwicklung der Menschheit ins Wanken gebracht. Sie zeigten, „dass es in der menschlichen Frühgeschichte große Gesellschaften oft ohne herrschende Eliten, ohne Bürokratie und Hierarchie gab“. Es gebe keine Zwangsläufigkeit, wonach im Sinne der Hegelschen Philosophie die Geschichte einem „Endpunkt der Vervollkommnung“ zustrebt und es so zu einem „End of History“ käme.

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Im Abschnitt Marktwirtschaft erläutert der Autor die Nachhaltigkeit des Gewinnmotivs und der Konsumentenfreiheit: „Da hohe Preise mehr Einkommen mit sich bringen, werden Produzenten dazu veranlasst, genau von diesem Gut mehr zu produzieren. Die Nutzer dieses Gutes hingegen werden aufgrund des hohen Preises sparsam mit dem Gut umgehen.“ Die Preisbildung auf Wettbewerbsmärkten führe zudem dazu, „dass der Marktpreis zum Minimum der Grenzkosten tendiert, was dem Tiefpunkt der Durchschnittskosten entspricht“. Und wegen der Konsumentensouveränität seien de facto die Verbraucher die eigentlichen Eigentümer des Kapitals, weil der Unternehmer, will er Einnahmen genieren, nach deren Wünschen produzieren muss, und dies so günstig, dass seine Aufwendungen unterhalb der Umsatzerlöse liegen.

Sozialismus

Im Abschnitt „Die sozialistische Herausforderung“ legt Mueller dar, dass von allen politischen Ideologien der Sozialismus die politischste sei. „Im politischen ist der Sozialist in seinem Element.“ Um einer sozialistischen Ideologie zu folgen, müsse man den Sozialismus auch nicht im Namen führen. Man könne sich auch dadurch als Sozialist zu erkennen geben, wenn man meine, „der Staat“ mache „keine Fehler“ oder glaube, nur wenn die Regierungsgewalt freie Bahn hätte, ließen sich „die Probleme“ schneller lösen. Diese Selbstüberschätzung gehe damit einher, das Individuum zu verachten. Es sei der Staat, dem die wahre Liebe des Sozialisten gehöre, denn im Staat komme das Politische zu seiner höchsten Form. Mueller schreibt:

So wie der Sozialismus zum Staat drängt, um sich einen Knecht zu suchen, drängt der Staat zum Sozialismus, um seinen Herren zu finden.

Ohne es zu merken, hätten viele konservative Parteien und andere erklärte Gegner des Sozialismus durch ihre Mitwirkung bei der Ausdehnung des Staates den sozialistischen Parteien zum Sieg verholfen. Nur indem man diese Politisierung zurückdränge, könne der Sozialismus eingedämmt werden:

Antipolitik ist die wirksamste Form des Antisozialismus.

Historisch-spiritueller Rückblick

In einem historischen Rückblick geht der Autor auf biblische und daoistische Warnungen vor dem Staat ein. So habe bereits im Alten Testament der Prophet und Richter Samuel die Israeliten vor den Folgen eines Königs und eines Staates gewarnt. Im Dao De Jing legte der chinesische Weise Laotse dar, dass ein Leben im Einklang mit dem „Dao“ (etwa „rechter Weg“) bedeute, dass man das Streben nach Macht und Kontrolle über andere aufgebe. Der Mensch müsse sich als integraler Teil des Universums begreifen. So warne Laotse vor der Spaltung, die in ihrer exzessivsten Form der Krieg sei, in welchem auch die vermeintlichen Sieger in Wahrheit die Verlierer seien:

Ein großer Sieg
Ist eine große Trauerfeier.
(Laotse)

Ausblick

Am Ende des Buches gibt der Autor noch einen Ausblick, wie eine prosperierende, von Mitgefühl geprägte Gesellschaft aussehen könnte und welche großartigen Chancen dies für die Entwicklung des Menschen und der Gesellschaft bedeuten würde

„Die Versuche der Gegenwart, einen technokratisch gelenkten ‚Weltstaat‘ zu erreichten, werden scheitern“, so Mueller zuversichtlich. „Auf das Zeitalter der Staatsbildung, Machtkonzentration und Hierarchie wird … die Epoche der Aufspaltung, Machtauflösung und Freiheit folgen“, ein „Äon der Schismogenese“ (von griechisch „schisma“, „Spaltung“, und „genese“, „Entstehung“).

Schlussbetrachtung

Liebe Leser, mit seinem Buch „Antipolitik“ (*) legt Mueller ein Grundlagenwerk für jedermann vor, das mit knapp über 200 Seiten bequem lesbar ist. Nicht nur die ökonomischen Grundlagen werden erläutert, sondern auch psychologische, historische bis hin zu spirituellen Aspekten. In Krisenzeiten wie heute liefert der Autor nicht nur eine scharfsinnige Analyse, wie es dazu kommen konnte, sondern zeigt auch auf den „Ausgang aus der Unmündigkeit“ der Gesellschaft hin, um mit dem Königsberger Philosophen Immanuel Kant zu sprechen. Es ist ein aufgeklärtes und aufklärendes Buch, ein wichtiges Buch, um die Idee der Freiheit zu verbreiten und neue Freunde der Freiheit zu gewinnen.

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Dr. Andreas Tiedtke ist Rechtsanwalt, Autor und Redakteur. Er publizierte bereits zahlreiche Artikel zur Österreichischen Schule der Nationalökonomie und deren wissenschaftlicher Methode, der Praxeologie (Handlungslogik). Im Mai 2021 erschien sein Buch über die Logik des Handelns „Der Kompass zum lebendigen Leben“(*). Im Jahr 2022 wirkte er an dem Buch “Wissenschaft und Politik: Zuverlässige oder unheilige Allianz” (Herausgeber: Olivier Kessler, Peter Ruch) mit, zu dem er im 1. Kapitel den 1. Abschnitt beitrug: “Mit welchen wissenschaftlichen Methoden zu welcher Erkenntnis?”. Zudem schreibt er Kolumnen für die Online-Magazine Freiheitsfunken und Der Sandwirt.

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